Honen auf Bearbeitungszentren

Dr.-Ing. Heiner Lang, MAG Europe GmbH, Göppingen

Honen auf Bearbeitungszentren

Abbildung 1: Feinbohren und Honen auf Bearbeitungsmaschinen in einer Aufspannung

Abbildung 2: Elektromechanisch betätigte Spindeleinheit mit Zug-Druck-Stange

Abbildung 3: Kostenvergleich 4-Zylinder-Motorblock

Abbildung 4: Modularer Maschinenaufbau

Abbildung 5: Kombination: Feinbohren und Honen auf einer Maschine

Abbildung 6: Feinbohren und Honen von Zylinderbohrungen

Abbildung 7: Feinbohren von Kurbelgehäusen

Abbildung 8: Honen von Kurbelgehäusen

Einleitung
Der Fertigbearbeitungsprozess Honen wird bei der Herstellung von Bohrungen mit hohen Anforderungen an die Qualitätsmerkmale wie Maß, Zylinderform und spezifische Oberflächenkennwerte eingesetzt. Zwei der Hauptanwendungsbereiche sind die Feinbearbeitung von Zylinderlaufbahnen aus Gusseisen, Aluminiumlegierungen und eisenhaltigen Schichten sowie von Kurbelgehäusen.
In der Serienfertigung wurden die Bauteile bisher auf speziellen Honmaschinen bearbeitet und das Honen stellte innerhalb der Prozesskette eine eigenständige Einheit dar. Dabei wurde das Werkstück zunächst auf Bearbeitungszentren spanend bearbeitet und dann gesondert dem Honprozess zugeführt.

Motivation
Durch Optimierung und Verknüpfung der Verfahren Feinbohren und Honen ergeben sich eine deutliche Verkürzung der Bearbeitungszeit und eine Einsparung von Bearbeitungsoperationen. Sämtliche Prozesse - von der Rohteil- bis zur Feinbearbeitung von Zylinder- und Kurbelwellenbohrungen – werden auf Bearbeitungszentren durchgeführt. Diese Lösung stellt spezifischen Anforderungen an die Maschinenkinematik, die Bearbeitungsspindel, Werkzeuge und das Steuerungs- und Regelungskonzept, damit Bohrungen mit derselben, von konventionellen Honmaschinen bekannten Qualität in deutlich geringerer Zeit und mit deutlich verringerten Kosten bearbeitet werden können.

Vorgehensweise
Ziel der Entwicklung war es, die komplette Bearbeitung der Bauteile auf einer Maschine zu ermöglichen. Sämtliche Funktionen der Honprozessführung mussten deshalb auf ein Bearbeitungszentrum transferiert werden:

  • geregelte elektromechanische und hydraulische Zustellung der Honwerkzeuge
  • pneumatische Durchmessermessung zur Regelung und Abschaltung des Honprozesses
  • honspezifische Prozesstechnik samt Steuerungs- und Regelalgorithmen


Feinbohren und Honen in einer Aufspannung
Durch die Ausführung des Feinbohrens und Honens in einer Aufspannung entfällt der doppelgelenkige Anschluss der Honwerkzeuge zum Ausgleich von Positionierungsunterschieden der Bohrung zur Spindel, welche durch Transfer und Umspannen der Bauteile zwischen Bearbeitungszentrum und Honmaschine zwangsläufig entstehen. Dadurch entfallen einerseits kostenintensive gelenkige Zwischenstücke, und andererseits werden schnelle, automatische Werkzeugwechsel durch eine lage- und schwerkraftunabhängige Orientierung des Werkzeugs möglich (Abbildung 1).
Die notwendigen Änderungen an der Grundmaschine im Vergleich zum konventionellen Bearbeitungszentrum sind relativ gering. Neben den Einrichtungen zur pneumatischen In-Prozess-Durchmesser-messung beschränken sich die geänderten Bauteile auf eine elektromechanisch betätigte Spindeleinheit mit Zug-Druck-Stange, die für die Honanwendung entwickelt wurde (Abbildung 2). Diese Spindel ist auch für andere Anwendungen mit geometrisch bestimmter Schneide nutzbar, beispielsweise die Ventilsitzbearbeitung und die Bearbeitung von Bohrungen mit definierten Konturen.

Bearbeitungszentrum erspart Investitionen
Zusätzlich zum Investitionsvolumen für die Bearbeitungsmaschinen lassen sich durch die Kombination der Verfahren innerhalb des Bearbeitungszentrums weitere Kosten sparen. So kann eine separate Kühlschmiermittelversorgungsanlage für die Honmaschine entfallen. Durch ein optimiertes Energieverbrauchsverhalten lassen sich zu einer vergleichbaren Anlage mit separater Honmaschine und einem Produktionsvolumen von 500.000 Einheiten/Jahr circa 60.000 Euro jährlich einsparen (Abbildung 3).
Neben dem rein monetären Aspekt lassen sich durch die Begrenzung auf nur einen Lieferanten beziehungsweise ein Maschinensystem für den Kunden weitere Vorteile ableiten. So entfällt durch die Komplettinstallation durch einen Lieferanten die aufwändige Koordination von Terminen für Aufstellung, Inbetrieb- und Abnahme sowie später für die Instandhaltung.

Honen auf Bearbeitungszentren macht Produktion flexibler
Durch die flexible und parallele Komplettfertigung in einzelnen Bearbeitungszellen wird beim Ausfall einer einzelnen Maschine im Vergleich zum Ausfall der Honmaschine nicht die komplette Produktion stillgelegt. Es wird lediglich die Ausbringung des Komplettsystems entsprechend geringer. Abbildung 5 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer Fertigungszelle: oben mit separatem Feinbohr- und Honprozess und unten den Kombinationsprozess aus Feinbohren und Honen.

Bearbeitungsbeispiele
Anhand der beiden Bearbeitungsbeispiele Zylinderbohrung und Kurbelgehäuse soll die Vorgehensweise beim Feinbohren und Honen auf Bearbeitungszentren kurz erläutert werden.

Zylinderbohrungen
Die Bearbeitung der Zylinderbohrungen kann in die folgenden drei Prozessschritte unterteilt werden (Abbildung 6):

  • Feinbohren:
    Halbfertig- und Fertigbohren
    erzeugen des Fertigbohrdurchmessers durch betätigen der neu entwickelten Spindeleinheit
    Temperaturstabilisierter Honprozess
  • Basis-Honen:
    Messung des Bohrdurchmessers (automatische Verschleißkompensation Feinbohren) -  Betätigung durch neuentwickelte Spindeleinheit
    Materialabtrag: 0,030 0,002 mm
    Prozessende: abhängig vom Durchmesser (Luft-Messung)
    Honzeit: 13 s (Durchschnitt aus 180 Bohrungen)
  • Plateau-Honen:
    Stellbewegung durch neu entwickelte Spindeleinheit (Simulation der hydraulischen Betätigung)
    Materialabtrag: 3-4 µm
    Prozessende: Hubanzahl geregelt
    Honzeit: 9 s (Durchschnitt aus 180 Bohrungen)


Kurbelgehäuse
Analog zur Bearbeitung der Zylinderbohrungen kann die Fertigung der Kurbelgehäusebohrung in drei Prozessschritte unterteilt werden (Abbildung 7 und Abbildung 8):

  • Pilotbohrung:
    Halbfertig- und Fertigbohren
    erzeugen des Fertigbohrdurchmessers durch betätigen der neu entwickelten Spindeleinheit
  • Waagrecht-Bohrung:
    Halbfertig- und Fertigbohren
    erzeugen des Fertigbohrdurchmessers durch betätigen der neu entwickelten Spindeleinheit
  • Räum-Honen:
    innere Kühlmittelzufuhr und Luft-Messung im Werkzeug integriert
    Messung des Bohrdurchmessers (automatische Verschleißkompensation Feinbohren)
    Räum-Honen
    automatische Verschleißkompensation durch Greifer und Spindel
    Honzeit: 20 s


Zusammenfassung
Die strengen Vorgaben der Qualitätskontrolle hinsichtlich Bohrungsgröße, Form- und Lage-Toleranz sowie Oberflächengüte sind alle mit hoher Prozesssicherheit –  für die heutige Generation der Motorentechnik –  erreichbar.
Die Kombination aus Feinbohren und Honen auf einer Maschine ist im Vergleich zur herkömmlichen Lösung aus separaten Bohr- und Honprozess kosteneffizient. Ein weiterer Vorteil sind weniger Honoperationen durch eine verbesserte Vorbearbeitung der Bohrungen.
Ferner sind keine Abstimmungsprobleme zwischen unterschiedlichen Lieferanten beim Aufbau einer neuen Linie zu erwarten, da die gesamte Produktionslinie von einem Partner aufgebaut wird. Die zeitaufwendige Koordination hinsichtlich Lieferzeit, Inbetriebnahme, Abnahme-Verfahren etc. entfällt.
Der Flaschenhals Honmaschine wird zudem eliminiert und die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls auf mehrere Maschinen verteilt. Es kommt lediglich zu einer Reduktion der Ausbringung und nicht zu einem kompletten Stillstand der Produktion. Darüber hinaus sind und können die Honwerkzeuge in ein Standard-Werkzeugmagazin integriert werden, was wiederum einen automatischen Werkzeugwechsel erlaubt. Bei der kombinierten Fertigung auf Bearbeitungszentren kann auf mögliche Produktionsänderungen schneller reagiert werde.