Präzisions- und Tiefbohren aktuell 2013

12. - 13.03.2013

IfW präsentiert gemeinsam mit dem VDI und dem ISF die neuesten Entwicklungen der Tiefbohrtechnik

Unter dem Motto "Technik - Tools - Trends" fand am 12. und 13. März 2013 die VDI-Tagung "Präzisions- und Tiefbohren aktuell" am Institut für Werkzeugmaschinen statt. Rund 110 Teilnehmer aus dem Bereich der Tiefbohrtechnik diskutierten zu Themen rund um das Tiefbohren. Neue Werkzeugkonzepte, Schneidstoffe und Beschichtungen für das Tiefbohren, Wendel- versus Einlippentiefbohren, Energieeffizienz, Kühlschmierstoffe, Bohren auf Bearbeitungszentren und Beispiele aus der Praxis standen im Fokus der Vorträge namhafter Anwender und Entwickler aus Industrie und Forschung. So gewannen die Teilnehmer Einblicke in die ganze Breite der Tiefbohrtechnik und konnten zahlreiche neue Ideen und Impressionen mit nach Hause nehmen.
Eröffnet wurde die Tagung vom Ordinarius und Direktor des Instituts für Werkzeugmaschinen der Universität Stuttgart, Prof. Uwe Heisel, der in seinem Eröffnungsvortrag Ansätze zur effizienten Prozessauslegung vorstellte. Die neuesten Entwicklungen am Institut für Werkzeugmaschinen zu den Themen Tiefbohren in vergüteten Stählen, energieeffiziente Prozesse und die Prozessüberwachung beim Tiefbohren zeigten den Tagungsteilnehmern, dass es noch viel Potential auf dem Gebiet des Tiefbohrens zu erforschen gibt.
In der Session Technik referierte Rainer Dangel von der Gebr. Heller Maschinenfabrik GmbH über Tieflochbohrungen im Werkzeug- und Formenbau auf Bearbeitungszentren. Hierbei zeigte er auf, dass sowohl an die Maschine und das Werkzeug wie auch an das Kühlmedium besondere Anforderungen gestellt werden müssen. Darüber hinaus war für ein prozesssicheres Bohren die Entwicklung neuer Tiefbohr-Zyklen notwendig.
Prof. Dirk Biermann, Leiter des Instituts für Spanende Fertigung der Technischen Universität Dortmund, präsentierte in seinem Vortrag Forschungsarbeiten, die vom Mikrotiefbohren bis hin zu großen Durchmesserbereichen erstreckten. Beim Mikrobohren stellte er eine Verfahrenskombination aus Laserpilotieren und Einlippentiefbohren vor. Während bei großen Bohrungsdurchmessern die Optimierung der Führungsleisten im Fokus der Forschungsarbeiten stand, beschäftigte er sich beim Wendeltiefbohren mit dem Wärmeeintrag ins Bauteil und den daraus resultieren Folgen für die Bauteilgenauigkeit.
Das Tiefbohren auf Bearbeitungszentren stand auch beim Vortrag von Jörn Steppan, Manager Process & Equipment bei der Baker Hughes Inteq GmbH, im Mittelpunkt. In der Einleitung listete er grundsätzliche Voraussetzungen zum Tiefbohren auf Bearbeitungszentren auf. Anschließend erläuterte er unterschiedliche Bohrstrategien, insbesondere bei Bohrungsverschneidungen, bevor er Sonderwerkzeuge zur Kollisionsvermeidung und Verfahren zur Erzeugung von eng tolerierten Durchmessern mit definierter Oberflächenqualität vorstellte. Zum Abschluss seines Vortrags gab er einen Ausblick auf zukünftige Themen rund ums Tiefbohren.
Die Herausforderungen, die sich ergeben, wenn der Bohrungsdurchmesser von 1 mm auf 0,5 mm reduziert wird, verdeutlichte Knut Mitschele von der Werner Mitschele GmbH in seinem Vortrag. So müssen neben einem angepassten maschinellen Umfeld auch die Bearbeitungsparameter optimiert werden. In seinem Vortrag zeigte er ferner Grenzen der Skalierbarkeit bei kleinen Durchmessern auf, die auf seinen Erfahrungen beruhen.
Das Tiefbohren von bainitischen Stählen, bei denen direkt nach der Abkühlung aus der Schmiedehitze ohne zusätzliche Wärmebehandlung bearbeitet wird, sowie das Mikrotiefbohren mit Minimalmengenschmierung stellte Ivan Iovkov, Mitarbeiter am Instituts für Spanende Fertigung der Technischen Universität Dortmund, in seinem Vortrag vor. So kann durch eine optimierte Bohrergeometrie bzw. den Einsatz eines Zweikanal-Minimalmengschmiersystems mit einem Druck von 15 bar die Spanbildung deutlich bei beiden Verfahren verbessert werden.
Besondere Anforderungen werden an die Bohrungsqualität bei Hydraulikzylindern gestellt. Aufgeteilt ist der Prozess bei der Bohrungsbearbeitung meist in Aufbohren, Schälen und Glattwalzen. Dies zeigte Stefan Zenk von der Ecoroll AG in seinem Vortrag anhand von Erfahrungsberichten und Bearbeitungsbeispielen auf. Neben dem verstärkten Einsatz auf Bearbeitungszentren steht der einfache Aufbau und Austausch von Verschleißteilen im Fokus der Entwicklungen.
Das Thema Energieeffizienz gewinnt auch beim Tiefbohren immer mehr an Bedeutung. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Großteil der Energie durch die ständige Bereitstellung hoher Kühlmitteldrücke verbraucht wird. Abhilfe schaffen frequenzgeregelte Schraubenspindelpumpen, die sich den aktuell erforderlichen Kühlmitteldrücken und Volumenströmen anpassen können. Darüber hinaus kann durch die Umrichtertechnik und spezielle Tiefbohrzyklen die Prozesssicherheit merklich gesteigert werden, verdeutlichte Heiko Stern, Produktmanager der Knoll Maschinenbau GmbH.
Im Anschluss an den ersten Vortragstag konnten die Teilnehmer das Versuchsfeld des Instituts für Werkzeugmaschinen besichtigen und sich über aktuelle Forschungsarbeiten informieren. Schwerpunkt der Besichtigung war das Tiefbohren auf Bearbeitungszentren, das dynamische Verhalten von Tiefbohrwerkzeugen, das Tiefbohren von harten Werkstoffen sowie das Ultraschall-unterstütze Einlippenbohren. Zum Ausklang der Veranstaltung lud das VDI Wissensforum zu einem Get-Together am Institut ein.
Der erste Teil des zweiten Halbtags stand im Zeichen der Werkzeuge. So stellte Lothar Künzel Auswahlkriterien für den Einsatz von Präzisions- und Tiefbohrwerkzeugen aus dem Hause Gühring vor. Er gliederte seinen Vortrag in die beiden Kategorien spiralisierter und klassischer. Für beide Gruppen zeigte er aktuelle Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung und gab Hinweise zu den Einsatzbedingungen und erreichbaren Bohrungsqualitäten.
Dr. Hans Fuß, Geschäftsführer der BGTB GmbH, stellte in seinem Vortrag das Konturieren von tiefen Bohrungen mit einschneidigen Auskammerwerkzeugen vor. Mit Hilfe des Auskammerverfahrens, eine Kombination aus Innendrehen und Tiefbohren, können nahezu alle beliebigen Innenkonturen ohne die verfahrensbedingten Nachteile der Einzelverfahren gefertigt werden. Aufgeteilt ist der Bearbeitungsprozess meist in die Schritte BTA-Vollbohren, herstellen der Führungsbohrung mit anschließendem Auskammern mit Schnittaufteilung sowie der Fertigstellung der Innenkontur.
Im Gegensatz zu den Mikrowerkzeugen des Vortags stellte Jürgen Wenzelburger Werkzeuge für das Tiefbohren großer Bohrdurchmesser vor. Auch diese Werkzeuge erfordern ein angepasstes Werkzeugkonzept und stellen spezifische Anforderungen an die Maschine. Bei einem steigenden Bedarf an großen Bauteilen, die kostengünstig gefertigt werden müssen, ist das Tiefbohren oft die einzig wirtschaftliche Fertigungsmethode, verdeutlichte er anhand zahlreicher Beispiele aus der Wirtschaft.
Wie bei anderen Werkzeugen auch, beeinflusst die Beschichtung den Einsatzbereich und die Standzeit der Werkzeuge. Neben der Schichtvor- und -nachbehandlung muss der Schichthaftung große Aufmerksamkeit gewidmet werden, verdeutlichte Manfred Weigand, Product Manager bei CemeCon. Mittels Sputtertechnologie können ultraglatte PVD-Schichten erzeugt und so die Späne nahezu reibungsfrei abgeführt werden.
Esterbasierte Schneidöle zum Tiefbohren stellte Günter Meckel von Houghton Deutschland vor. Im Vergleich zu Mineralölen bieten sie zahlreiche Vorteile hinsichtlich Gesundheit und Umwelt, Verbrauch und technische Performance. Dies verdeutlichte er anhand von Fallbeispielen aus der Praxis.
Im dritten Schwerpunktbereich standen die Trends beim Präzisions- und Tiefbohren im Fokus der Vorträge. Ein Trend beim Tiefbohren stellt die Überwachung der Prozesse dar. Hierfür werden die Daten von zusätzlichen Sensoren, Druck- und Durchflusssensoren sowie steuerungsinterne Signale abgefragt und mittels Überwachungsalgorithmen ausgewertet. So können Spanklemmer erkannt und Werkzeugbrüche vermieden werden. Die Algorithmen passen sich dabei dynamisch dem aktuellen Prozess an, erläuterte Prof. Joachim Imiela anhand von Beispielen.
Entscheidend für einen sicheren und effizienten Tiefbohrprozess ist die richtige Auswahl des Schneidstoffs. Neben den Anforderungen und dem Belastungskollektiv ist die Kenntnis der Eigenschaften und Charakteristika der Schneidstoffe entscheidend für die richtige Werkstoffauswahl. Darüber hinaus darf der Einfluss der Makro- und Mikrogestalt nicht außer Acht gelassen werden, so Dr. Stefan Scherbarth, Leiter des Application Center Stuttgart von Sandvik Coromant. Beispielsweise hat eine Kantenpräparation einen positiven Einfluss auf die Verschleißbeständigkeit und die Prozesssicherheit, insbesondere im Bereich hochbelasteter Werkzeugbereiche.
Die Integration eines Torsionsschwinungsdämpfers in der Einspannhülse, ohne zusätzlichen Bauraum zu benötigen, ist das Ziel des von Philipp Jakob vorgestellten Forschungsvorhabens. Um eine effektive Schwingungsdämpfung ohne Mess- und Regelaufwand zu realisieren, soll anstelle von Lot Klebstoff als Fügemedium verwendet werden. Experimentelle und simulative Untersuchungen am Institut für Werkzeugmaschinen sollen zeigen, welches Medium und welche konstruktive Auslegung hinsichtlich Schwingungsdämpfung ideal sind.
Am Ende des zweiten Halbtages konnten Prof. Uwe Heisel und Prof. Dirk Biermann eine rundum gelungene Veranstaltung abschließen und auf die in zwei Jahren am Institut für Spanende Fertigung in Dortmund stattfindende VDI-Tiefbohrtagung hinweisen.

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