Schädigungsarme Nachbearbeitung von FVK

Volker Schulze, Frederik Zanger, Stefan Klotz, wbk Institut für Produktionstechnik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

Schädigungsarme Nachbearbeitung

Abbildung 1: links: 3-achsiger kombinierter Prozess; rechts: 5-achsiges Taumelfräsen

Abbildung 2: links: Schädigungen Unterseite kombinierter Prozess und Zirkularfräsen; rechts: Decklagenschädigung Taumelfräsen

Abbildung 3: Verfahrensvergleich zur FVK-Bearbeitung

Einleitung
Faserverstärkte Kunststoffe (FVK) spielen aufgrund ihrer positiven Materialeigenschaften wie zum Beispiel ihre hohe spezifische Festigkeit und Steifigkeit eine immer größere Rolle im industriellen Umfeld, selbst in Bereichen der Großserienfertigung. Durch den vermehrten Einsatz dieser Werkstoffe rückt die Bearbeitung noch stärker in den Fokus der Forschung. Typische Nachbearbeitungsaufgaben sind die Herstellung von Bohrlöchern für Nietverbindungen oder die Kantenbesäumung. Die von den Metallen stark abweichenden spezifischen Materialeigenschaften wie beispielsweise die starke Anisotropie erschweren die Übertragbarkeit der bekannten Fertigungsprozesse aus dem metallischen Bereich auf die faserverstärkten Kunststoffe. Häufig entstehen durch den Nachbearbeitungsprozess Schädigungen in Form von Delaminationen oder Abplatzungen am Werkstück, welche die Belastungsfähigkeit der FVK-Werkstoffe vermindern. Ein weiterer Aspekt ist die geringe Wirtschaftlichkeit der mechanischen Nachbearbeitungsverfahren, welche durch den hohen Verschleiß der Bearbeitungswerkzeuge verursacht wird.

Forschung am wbk Institut für Produktionstechnik
Um den genannten Problemstellungen entgegen zu wirken, werden am wbk mehrere Ansätze verfolgt. Im Fokus stehen dabei die Verminderung der Werkstückschädigungen sowie die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit bei der Nachbearbeitung von FVK. Diese Ansätze reichen von der Entwicklung neuer Fertigungsstrategien für die mechanische Nachbearbeitung bis hin zu Verfahrensvergleichen zur wirtschaftlichen Nachbearbeitung von faserverstärkten Kunststoffen. Alle Ansätze dienen dem Ziel, wissenschaftliche Grundlagen zu erarbeiten und die Umsetzung der Bearbeitung von faserverstärkten Kunststoffen im industriellen Umfeld nachhaltig zu fördern.

Verfahrensentwicklung
Im Fokus der Weiterentwicklung von spanenden Nachbearbeitungsprozessen stehen die auftretenden Prozesskräfte. Diese leisten einen signifikanten Beitrag zur Werkstückschädigung während der Bearbeitung. Durch eine gezielte Anpassung des Bearbeitungsprozesses sollen die Bearbeitungskräfte ins Werkstückinnere gerichtet werden, um eine selbstabstützende Wirkung des Materials zu erreichen. Hierfür wurden mehrere Prozesse entwickelt mit denen die Schädigungen, insbesondere die Delaminationen und Ausfransungen, an den Bohrungen deutlich verringert werden können. Prozesse, die diese Ziele verfolgen, sind ein 3-achsiger kombinierter Bearbeitungsprozess und das 5-achsige Taumelfräsen (vgl. Abbildung 1).
Bei der 3-achsigen kombinierten Bearbeitung wird mit einem Zirkularfräsprozess die Decklage des FVK mit sehr geringem axialen Vorschub bearbeitet und anschließend, ebenfalls durch Zirkularfräsen, eine kleinere Bohrung durch das gesamte Werkstück hergestellt. Zuletzt wird mit einem Spiralfräsvorgang die Bohrung auf den Nenndurchmesser bearbeitet. Bei diesem Vorgang wird die Spiralwendelung des Fräswerkzeuges genutzt, um die Prozesskräfte nach oben ins Werkstückinnere zu richten. Beim 5-achsigen Taumelfräsen wird zuerst eine Startbohrung gefertigt, die kleiner als der Nenndurchmesser ist. Im Anschluss wird das Werkzeug um den Taumelwinkel verkippt und durch eine Kreisbewegung die Decklagen mit nach innen gerichteten Prozesskräften bearbeitet. Zuletzt wird das Werkzeug wieder senkrecht gestellt, um den inneren Bereich der Bohrung fertig zu bearbeiten. Beide Verfahren haben gezeigt, dass mit dem Ansatz der gerichteten Prozesskräfte eine deutliche Verringerung der Werkstückschädigungen möglich ist (vgl. Abbildung 2). Beim kombinierten Prozess konnte eine deutliche Überlegenheit gegenüber dem konventionellen Zirkularfräsen festgestellt werden (vgl. Abbildung 2 links). Beim Taumelfräsen werden die Schädigungen in Form von Delaminationen (FD beschreibt das Verhältnis zwischen Schädigungs- und Bohrungsdurchmesser) mit zunehmendem Neigungswinkel des Werkezuges geringer. Zudem können die Werkzeugstandzeiten erhöht werden, da der Verschleißzustand sich nur gering auf die Entstehung von Werkstückschädigungen auswirkt, was die Wirtschaftlichkeit der entwickelten Prozesse zusätzlich verbessert.

Verfahrensvergleich
Für die Nachbearbeitung von faserverstärkten Kunststoffen kommen mehrere Fertigungsverfahren zum Einsatz. Deren Auswahl ist von unternehmensspezifischen Randbedingungen geprägt, sodass oftmals bessere Bearbeitungsmöglichkeiten ausgeblendet werden und somit sich das wirtschaftliche Potential der Unternehmen verringert. Um objektive Bewertungskriterien zu erhalten, werden die Verfahren der mechanischen Nachbearbeitung mittels Werkzeugmaschine und Bearbeitungsroboter sowie die strahlende Bearbeitung mittels Laser- oder Wasserstrahl miteinander verglichen (Abbildung 3). Als Zielgrößen für den Verfahrensvergleich kommen Qualitäts-, Kosten-, und Zeitkriterien zum Einsatz. Jeder Prozess hat spezifische Vor- und Nachteile, die in einer ganzheitlichen Betrachtung verglichen werden müssen. Die wesentliche Problemstellung, die sich deshalb bei der Prozessauswahl ergibt, ist die Vergleichbarkeit der Prozesse sicherzustellen. Das Ergebnis dieses Verfahrensvergleichs ermöglicht es, anhand definierter Randbedingungen eine ideale Prozessauswahl zu treffen. Hierdurch kann für das jeweilige Werkstück eine interdisziplinäre Prozessauswahl zu einem deutlichen Ergebnisvorteil führen.